„Die Stätte der Vollkommenheit“, das Tal der Königinnen !
Neben dem berühmten Tal der Könige gibt es auf dem Thebanischen Westufer noch eine weitere Begräbnisstätte des Neuen Reiches: Das Tal der Königinnen. Die heutige arabische Bezeichnung lautet: „ Biban el Harim“ (die Tore der Königinnen), während der altägyptische Name „ Ta-set-Neferu“ lautete. Bis in die jüngste Zeit wurde der Begriff „Ta-set-Nerferu“ mit der schönen Übersetzung „Stätte der Vollkommenheit“ wiedergegeben.
Allerdings scheint diese Übersetzung nur bedingt richtig zu sein, denn in der neusten Zeit wird doch eher für die Bezeichnung „Stätte der (königlichen) Kinder“ plädiert, welche weitaus näher an die altägyptische Bedeutung herankommt.
Das Tal der Königinnen liegt unweit des Tals der Könige, in einem 1,5 km südlich davon gelegenen Wüstental.
Die Bezeichnung „Tal der Königinnen“ ist leicht irreführend, da sie einen bestimmten „Besitzerkreis“ vortäuscht. Es wurden im Neuen Reich nicht nur Königinnen hier bestattet, sondern auch Prinzessinnen, Prinzen und hohe Würdenträger.
Heute sind im Tal der Königinnen 98 Gräber bekannt.
Über ein der Öffentlichkeit vor einiger Zeit wieder zugänglich gemachtes Grab, will ich heute berichten.
Das Grab der Nefertari Meri-en-Mut ist eines der größten und schönsten dekoriertesten Gräber im Tal der Königinnen. Nefertari war die wie sie oft bezeichnet wird Lieblingsgemahlin von Ramses II. Ihr wurde auch der kleine Tempel, neben dem großen Tempel in Abu Simbel von Ramses, geweiht. Ramses muss Nefertari sehr geliebt haben, den in keiner weiteren Zeit ist es zu so einer, fast möchte man sagen, gleichwertigen Darstellung von Mann und Frau eines Königspaares gekommen. Isisnofret, die zweite Große Königsgemahlin, wurde bei weitem nicht mit dieser Pracht dargestellt.
Das Grab der Nefertari ist wie schon eingangs gesagt, komplexer und prunkvoller ausgestattet, als die umliegenden Gräber der Prinzen oder Prinzessinnen.
Entdeckt wurde das Grab 1904 von Ernesto Schiparelli.
Es besteht aus hintereinander gelegenen Räumen von denen insgesamt fünf weitere Seitenkammern abzweigen. Eine Treppe führt in den ersten Vorraum, von welchen eine große Nebenkammer abgeht. An diesen Vorraum schließt sich wiederum eine zweite Treppe an, die dann zum Hauptraum der Grabstätte führt. Dieser Hauptraum hat vier aus dem Fels gehauene fast quadratische Pfeiler, die ein herunter brechen der Decke vermeiden. An diesen Hauptraum schließen sich noch drei weitere Räume an.
Die an die Wände gemalten Szenen gehören größtenteils zu den Kapiteln des Totenbuches und zeigen die Große Königsgemahlin zusammen mit den verschiedensten Göttern.
Diese Götter sollen die Königin von dieser Welt in das Jenseits begleiten und den Übergang sichern.
Im oberen Raumabschnitt / Treppenhaus wird die Königin dargestellt, wie sie im Jenseits ankommt.
Texte aus den Unterweltsbücher gibt es im Grab der Nefertari nicht. Diese besonderen Texte waren nur den Pharaonen vorbehalten und wurden nur in diesen Gräbern angebracht.
Im Verbindungsgang zur eigentlichen Grabkammer wird die stufenweise Vollendung der Königin zu Osiris abgebildet, so dass im Sargraum die Verwandlung vollzogen ist und Nefertari die Unsterblichkeit erreicht hat.
Die Arbeiter, die vor über 3000 Jahren dieses Grab aushauten, waren sich durchaus bewusst, das der Fels in dem sie arbeiteten von nicht besonderer Beschaffenheit war. Das zwang sie zu technischen Kunstgriffen, wie Mörtel auf die Wände anbringen und sie dann zu bemalen. Der Kalkstein war so schlecht, das es nicht möglich war Reliefs zu erstellen.
Das Grab der Nefertari hat somit schon frühzeitig unter diesen Gegebenheiten gelitten. Dazu kamen in Laufe der Jahre noch Witterungseinflüsse durch starke Regenfälle, die von dem sehr porösen Gestein aufgesogen wurden und dann den Putz weich werden ließen, welches nach der Trocknung zu Spannungen im Putz führten. Belzoni berichtete 1818 von einer großen Überschwemmung in den Tälern. Man sollte nicht vergessen, das diese Täler im Grunde genommen Wadis sind, in denen bei starken Regenfällen, das Wasser zum Nilbett abfließt.
Der anschließend folgende Video-Beitrag, umfast die fünf Jahre dauernde Restauration des Grabes. Im Laufe der Zeit von der ersten Öffnung 1904 bis zur Schließung des Grabes hatten die Bemalungen sehr stark gelitten. Wobei anzumerken sei, nicht nur die Bemalung war betroffen, sondern durch die Ausdünstungen der Besucher bildeten sich hinter der Putzschicht Salzkristalle. Diese Kristalle wuchsen mit der Zeit, durch Regen und schwitzen, immer stärker und bewirkten dadurch ein lockern des Putzes und das Herunterfallen.
Wollte man die Pracht dieses Grabes erhalten, war es dringend notwendig es zu schließen und einen Sponsoren für die Sicherungsarbeiten zu finden.
Nach jahrelangen Untersuchungen und Überlegungen startete im Jahr 1987 das Projekt „Nefertari“. Ein Gemeinschaftsprojekt der Ägyptischen Altertümer Verwaltung und der Paul Getty Stiftung. Im April 1992 konnten die Arbeiten abgeschlossen werden.
Auf der Ostwand sind die sieben Himmelskühe mit einem Stier abgebildet. Des weiteren befinden sich auf dieser Wand noch die vier Himmelsruder. Die Szene stellt das Kapitel 148 des Totenbuches dar, die Versorgung der Toten mit Nahrung.
Das nächste Bild zeigt Nefertari in einer Laube sitzend auf einem Thronsessel, sie spielt Senet. Neben der Laube ist die Seele der Königin zu sehen in Form des Ba-Vogel. Anschließend sehen wir die kniende Königin in Gebetshaltung.
Dieser Bericht ist ein Begleittext zu einem Vortrag der am 15. März 2005 in der Gruppe HAGIB von Dieter Hein gehalten wurde. Fotos: HAGIB, Text: D. Hein, zusätzliche Quelle das Buch: Das Grab der Nefertari, Weltbild-Verlag.
Dieter Hein - HAGIB